Manchmal gibt es Momente, in denen die schiere Schönheit und Wildheit eines Ortes einen dazu zwingt, innezuhalten und die überwältigende Landschaft zu bewundern. Das Bild, das ich "Caminos de Cielo" nenne, fängt genau so einen Moment ein. Ich stehe auf einem schmalen Pfad, der sich durch die goldenen Gräser des Páramos in den Anden von Kolumbien schlängelt. Vor mir breitet sich ein sanft ansteigender Hügel aus, sein Kamm erstreckt sich bis zum Horizont, wo sich die Pfade in einem Meer aus Wolken verlieren. Der Himmel oben ist herrlich blau, nur durchzogen von einigen weißen Wolken, die wie Wattebäusche über den Berggipfeln schweben.
Der Bildaufbau ist schlicht und doch beeindruckend. Aufgenommen mit einer 17-mm-Brennweite und einer Blende von f10, wird die gesamte Weite der Landschaft in Szene gesetzt. Der hohe Blendenwert sorgt für eine durchgehende Schärfe, die vom Vordergrund bis zum Hintergrund reicht. Besonders stark wirkt der Pfad, der den Betrachter in das Bild hineinzieht und ihm das Gefühl gibt, selbst auf dieser Wanderung zu sein. Eine einsame Wanderin mit einer auffälligen roten Jacke steht am Rand des Pfades, fast wie eine Eins mit der Landschaft, und bietet einen markanten Farbkontrast zum sonst sanften Farbspiel aus Braun- und Goldtönen.
Salento, ein kleines malerisches Dorf im Departamento Quindío, ist bekannt für seine atemberaubenden Landschaften und den Zugang zum spektakulären Valle del Cocora. Diese Region ist ein wahres Paradies für Naturliebhaber und Wanderfreunde. Die majestätischen Wachspalmen, Kolumbiens Nationalbaum, ragen hier in den Himmel und schaffen eine surreal anmutende Szenerie. Doch nur wenige wissen, dass etwas höher in den Anden, über dem üppigen Grün und den hohen Palmen, der mystische Páramo liegt.
Der Páramo ist ein einzigartiges, hochgelegenes Ökosystem, das nur in den Anden von Kolumbien und einigen anderen Regionen Südamerikas vorkommt. Hier auf knappen 4000 Metern Höhe, wo die Vegetation karger und das Klima rauer wird, erstrecken sich weite Flächen aus Gräsern, Büschen und einigen wenigen Blumen. Der Aufstieg ist mühsam – unsere Wanderung dauerte über 10 Stunden, und der steile, felsige Pfad verlangte einiges an Durchhaltevermögen. Doch jede Anstrengung wurde mit diesen spektakulären Ausblicken belohnt.
Warum ich dieses Bild "Caminos de Cielo" genannt habe? Weil es wirklich den Eindruck vermittelt, als würden diese Wege direkt in den Himmel führen. Es ist ein himmlischer Ort, wo die Erde den Himmel berührt und der Mensch sich klein und ehrfürchtig fühlt. Die Weite, die Einsamkeit und das Gefühl, auf einem Pfad zu wandeln, der nirgendwo und doch überall hinführt, waren einfach überwältigend.
Während meines Aufenthalts in Salento war das Valle del Cocora natürlich mein erster Stopp. Es ist einfach ein Muss, die hoch aufragenden Wachspalmen zu bestaunen. Aber mein Abenteuerlust hat mich weiter gezogen, höher hinauf in die Berge. Der Páramo war das Ziel, ein raues und zugleich friedvolles Terrain, das mich vollkommen in seinen Bann gezogen hat. Die Wanderung begann früh am Morgen, als die ersten Sonnenstrahlen den Nebel vertrieben und die Landschaft in ein goldenes Licht tauchten. Der Aufstieg war anstrengend, aber die stetig wechselnden Panoramen sorgten dafür, dass ich immer weiterging.
Entlang des Weges begegnete ich faszinierenden Pflanzen wie dem Frailejón, einer endemischen Páramo-Pflanze, die eine beruhigende Präsenz in der kargen Landschaft darstellt. Die Wetterbedingungen können hier oben schnell wechseln; ein Moment, in dem die Sonne den Pfad vor einem beleuchtet, kann schnell von dichten Nebelschwaden abgelöst werden, die für eine fast magische Atmosphäre sorgen.
Während ich das Bild aufnahm, empfand ich eine Mischung aus Erschöpfung und Erfüllung. Die Kamera in meinen Händen fühlte sich an wie ein verlängertes Auge, das die unglaubliche Schönheit dieser abgeschiedenen Welt festhalten wollte. Der Gedanke, diese Szene mit anderen teilen zu können, gab mir einen zusätzlichen Antrieb, weiterzugehen und nach dem perfekten Moment zu suchen.
Diese Wanderung im Páramo in den Anden von Kolumbien hat mir nicht nur körperlich, sondern auch geistig viel abverlangt. Es war eine Reise zu einem Ort, der sowohl fremd als auch vertraut schien, ein Ort, an dem die Natur ihre ungezähmte Schönheit in ihrer reinsten Form offenbarte. Jede Anstrengung, jeder Schritt und jeder Atemzug in dieser dünner werdenden Luft hat sich gelohnt. Das Bild "Caminos de Cielo" ist ein Zeugnis dieser Erfahrung – ein Einblick in eine Welt, die so himmlisch ist wie die Erde selbst.
Dieser Beitrag ist Teil der Fotoreihe
Colombia von Dr. Alexander Motzek. Erkunde
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